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Geschichten

Sebastian stand im Wohnzimmer vor der Weihnachtskrippe
und kaute auf seiner Unterlippe. Das tat er immer, wenn er intensiv nachdachte.

"Du, Vater, warum wird Gott an Weihnachten ein Baby?"
"Wie?" Überrascht sah der Vater auf.
"Warum wird Gott ein Baby?" Sebastian blieb beharrlich bei seiner Frage.

"Ja, weißt du, ich glaube, Gott wollte den Menschen nahe sein, er wollte, dass sie ihn verstehen..."

Als Baby?" Sebastian schüttelte den Kopf.
Wenn Gott wollte, dass die Menschen ihn besser verstehen,
dann hatte er keinen guten Weg ausgewählt.
Was sollte da ein kleines Kind!

Vater hatte sich inzwischen gefangen.
"Ich habe da mal eine Geschichte gehört, mit der man das vielleicht etwas besser verstehen kann. Mal sehen, ob ich sie noch zusammenbekomme."

Sebastian kletterte auf Vaters Schoß und blickte ihn gespannt an.

"Also, ich glaube die Geschichte ging so:

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  Eines Tages war der alte Lord mit seinem Sohn in den Wald gegangen.
  Sie schritten zwischen den mächtigen Bäumen hindurch.
  Der Lord hatte beschlossen, alle fällen zu lassen.
  Schon bald würde man hier das Klingen
  der Äxte und die Rufe der Arbeiter hören.
  Dieser Wald hatte seine Zeit gehabt.Alles würde hier neu werden.
  Der Sohn war vor einem Ameisenhaufen stehengeblieben.
  Interessiert beobachtete er das emsige Treiben der  kleinen Tierchen.

  Alle waren sehr beschäftigt.
  Einige schleppten Tannennadeln, andere Steinchen, die größer 
  waren als sie selbst.
  Wieder andere liefen nur hin und her und man konnte nicht erkennen,
  was ihre Aufgabe war.

  "Was wird mit den Ameisen hier passieren?"
  Der Sohn sah zu seinem Vater auf.

  "Auch für sie wird es ein Ende haben, wenn wir den Wald schlagen."

  "Aber das müssen wir ihnen doch sagen!"

  Der Lord lächelte.

  "Ihnen sagen?! Wie wollen wir den Ameisen sagen,
  dass es mit dem Wald und mit ihrer  kleinen Welt,
  mit ihrem Ameisenhaufen, zu Ende geht?"

  upload/weihnachtsameise-4.jpg

  "Ich weiss es!", rief der Junge aufgeregt.
   Er nahm einen großen Stein und ließ ihn mitten  
   in den Ameisenhaufen fallen.

  "Was tust du da!", rief der Lord. "du zerstörst ja alles!"

  "Nicht alles. Ich weiß, es ist eine Katastrophe für sie.
  Aber ich muss ihnen doch irgendwie sagen, dass Gefahr besteht!"

  upload/weihnachtsameise-5.jpg

  Auf dem Ameisenhaufen war inzwischen die Hölle los.
  Wie sinnlos liefen die kleinen Tiere hin und her.
  Der Stein war tief eingesunken.

  "Ich bin gespannt, was jetzt passiert", interessiert beobachtete
  der Junge die Tiere.

  "Komm, lass uns weitergehen", drängte der Lord.
  "Auf dem Rückweg können wir hier noch einmal vorbeikommen."

  upload/weihnachtsameise-6.jpg

  Widerstrebend ging der Junge mit. Als die beiden nach geraumer Zeit
  wieder zum  Ameisenhaufen kamen,
  hatte sich die Aufregung dort schon gelegt.

  Von den Zerstörungen war kaum mehr was zu sehen.

  Der Stein war eingebettet in die Ameisenwelt.
  Das Ameisenleben ging wieder seinen gewohnten Gang.

  "Sie haben nichts begriffen!", rief der Junge aus.
  "Alles ist wie vorher!"

  Nach einer Weile meinte er leise:
 
  "Wahrscheinlich müsste ich eine Ameise werden, damit sie verstehen,
  was ich ihnen sagen will."


  Der Lord sah ihn fragend an.
 
"Ich müsste ganz klein werden.
  Einer von ihnen.
  Müsste ihre Sprache sprechen,
  in ihrer Welt leben."


  "Ja", der Lord nickte.
  "Das wäre wahrscheinlich die einzige Möglichkeit.
  Aber ob sie dir dann glauben würden?
  Ob sie dir glauben, dass du mein Sohn bist, und ob sie dir glauben,
  dass du weisst, was mit dem Wald und mit ihrer kleinen Welt passiert?"


  "Man müsste es versuchen", sagte der Junge.

  "Man müsste es versuchen", nickte der Lord.

  Aufatmend lehnte der Vater sich im Sessel zurück.
  "Ich hätte es auch versucht", sagte Sebastian.

  "Ja, ich weiß." Der Vater lächelte.
  "Gott hat es versucht.
  Er wurde so klein wie ein Mensch und lag eines Tages
  als neugeborenes  Baby in der Krippe.
  Er wollte, dass wir ihn verstehen und- was noch wichtiger ist -
  wir ihn ernst nehmen."

  Sebastian war aufgestanden und zur Krippe gegangen,
  um sich noch einmal ds Jesuskind anzusehen.
  Deshalb wurde Gott ein Baby.
  Wir waren ihm nicht gleichgültig.
  Er hatte uns etwas Wichtiges zu sagen.

  Langsam begann er zu begreifen,
               was Weihnachten wirklich war.

 

 Mit freundlicher Genehmigung der Stiftung Marburger Medien

                      www.marburger-medien.de


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